Unfallflucht
§ 142 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, welches früher auch als Verkehrsunfallflucht bezeichnet wurde und heute umgangssprachlich als Fahrerflucht bekannt ist. Jährlich werden in Deutschland zehntausende solcher Fälle zur Anzeige gebracht. Die Vorschrift wird durchaus kritisch gesehen, weil sie dem Unfallbeteiligten eine Art Selbstanzeige auferlegt. Laut dem Bundesgerichtshof ist es das Ziel der Norm, die aus einem Verkehrsunfall erwachsenen Schadensersatzansprüche der Geschädigten untereinander zu sichern. Es handelt sich um ein sog. Sonderdelikt in der Art, dass Täter nur ein am Unfallort anwesender Unfallbeteiligter sein kann, also jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Unfallverursachung beigetragen haben kann. Dabei reicht es aus, wenn der nicht ganz unbegründete Verdacht einer möglichen, wenn auch schuldlosen, Mitverursachung besteht.
§ 142 Abs. 1 StGB verlangt das Verbleiben am Unfallort und unterscheidet dahingehend, ob feststellungsbereite Personen (z.B. andere Unfallbeteiligte, Geschädigte) am Unfallort anwesend sind oder nicht. Solange sich der potentielle Täter nicht vom Unfallort entfernt, ist der Tatbestand nicht erfüllt, selbst wenn er sich nicht äußert, seine Mitwirkung an der Aufklärung verweigert oder sogar seine Beteiligung bestreitet. Wartet der potentielle Täter hingegen wortlos bis sich die anderen Unfallbeteiligten entfernt haben, um dann ebenfalls unerkannt den Unfallort zu verlassen, ist Abs. 1 auch dann verwirklicht, wenn seine bloße Anwesenheit am Unfallort an sich den Anforderungen der Wartezeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB genügt hätte. Dem Unfallbeteiligten wird also indirekt eine Mitwirkungspflicht auferlegt.
Die Abs. 2 und 3 finden hingegen nur Anwendung, wenn der Unfallbeteiligte nicht bereits aus § 142 Abs. 1 StGB belangt werden kann. Dies ist der Fall, wenn eine angemessene Wartezeit eingehalten wurde oder wenn sich die betreffende Person berechtigt oder entschuldigt entfernt hat. Die Länge der (angemessenen) Wartezeit ist immer von den Umständen des Einzelfalles abhängig, z.B. Schweres des Unfalls, die erkennbare Schadenshöhe, Unfallort, Tageszeit, Wetter.
In Abs. 4 ist eine Vorschrift über die sog. tätige Reue eingefügt. Die Anwendbarkeit ist aber auf Sachschäden im ruhenden Verkehr beschränkt, also in der Regel auf Unfälle beim Parken. Dazu hat das Oberlandesgericht Köln klargestellt, dass § 142 Abs. 4 StGB nicht anzuwenden ist, wenn der Täter selbst Teilnehmer des fließenden Verkehrs war und nur das beschädigte Fahrzeug zum ruhenden Verkehr gehörte. Zudem darf der Fremdschaden nicht bedeutend sein. Derzeit wird die Grenze bei einer Höhe von etwa 1.300 Euro gesehen.
Bei einer bloßen Selbstschädigung ist § 142 StGB jedoch nicht einschlägig. Gleiches gilt, wenn der Unfallgegner auf Feststellungen ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln verzichtet, beispielsweise durch das Wegfahren trotz der Kenntnis eines eigenen Schadens. Ist der angerichtete Personen- oder Sachschaden so gering, dass deswegen nicht mit Schadenersatzansprüchen gerechnet werden muss, scheidet ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ebenfalls aus. Bei Sachschäden wird die Wertgrenze derzeit bei 30 Euro gesehen. Wird dieser Wert nicht überschritten, liegt im Sinne der Norm auch kein Unfall vor. Bei Personenschäden kann die Grenze beispielsweise bei leichten Hautabschürfungen liegen.
(© und Autor: Loubal)
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